Gedanken nach einem Winterspaziergang.
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen, aber versuchen will ich ihn.
Ich kreise um Gott, um den uralten Turm, und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm oder ein großer Gesang.
RAINER MARIA RILKE
Reinhard Krames
Nach einem Spaziergang an einem schönen winterlichen Tag, der mich an der Bildeiche vorbeigeführt hat, bin ich auf das 1899 verfasste Gedicht von Rilke gestoßen. Wer diesen mächtigen Baum mit dem Marienbildnis zwischen Mistelbach und Eibesthal je in natura betrachtet hat, wird das vermutlich verstehen.
Der gemeinsame Bittgang der Pfarren Eibesthal, Mistelbach und Siebenhirten wurde zum ersten Mal im Rahmen der Kontaktwoche der Erzdiözese Wien im Jahr 2008 durchgeführt. Seitdem pilgern wir – mit wenigen Unterbrechungen – jährlich zur Bildeiche, wo nach einer Marienandacht auch das gemütliche Beisammensein mit Verpflegung lockt.
Jedes Mal bietet diese Aktion dreier Pfarren wieder die Möglichkeit, einander zu begegnen und einander besser kennen zu lernen. Jede Pfarre bricht auf, wächst gleichsam über sich hinaus, damit unser Pfarrverband zusammenwachsen kann. Wenn wir uns dann um die mächtige Bildeiche zum Gebet versammeln, sehe ich das ein sichtbares Zeichen für unsere unsichtbare Mitte, die in unserem Leben Platz haben sollte. Vielleicht erweckt es den Anschein, dass wir uns dabei „nur“ im Kreis bewegen, also nicht wirklich vorwärtskommen. Wer jedoch um die Kraft weiß, die er aus jener Mitte gewinnen kann, wird immer wieder dankbar und gerne zu ihr zurückkehren; der wird diese Mitte als etwas begreifen, was uns wachsen, aufblühen und leben lässt.